Willkommen in meinem Leben




[19] mit Nico unterwegs.

[19]


17 September 2010.
Freitag.




Don't know anything about you
So close, just a touch away
I know something's taking over now
Gotta know what's on your mind

[Cascada]



Es war der erste Tag an dem ich etwas mit Nico unternehmen wollte.
Zumindest nach meinem Geburtstag.
Aber der war ja sowieso in einem Disaster geendet.

Ich fuhr alleine mit dem Zug in die Ortschaft,
in der Nico wohnte.
Geplant war bei einem vom seinen Kumpels zu chillen,
mit noch ein paar Leuten aus deren Gegend.

Ich kannte dort niemanden.
Nico auch nicht mal richtig.

Und ich hatte nicht mal irgendwelche Hemmungen.
Nicht so, wie sonst.

Der Typ war mir doch praktisch völlig fremd.


Nico holte mich vom Bahnhof ab.
Wieder begrüßten wir uns mit einer Umarmung.
Es war jetzt erst das dritte mal das wir uns richtig begegneten.

"Wir müssen noch eben einen Kumpel abholen",
meinte Nico und packte schon die erste Flasche Campari aus.

Fremder Kerl.
Fremde Gegend.
Und mitten auf der Straße gleich Alkohol trinken.

Wir holten also vorher noch Nicos Kumpel ab,
bevor wir dann bei Malte und Sabrina ankamen.

Sabrina war mir sofort symphatisch gewesen.
Ich mochte sie irgendwie gleich.
Wir hatten auch den ganzen Abend nebeneinander gesessen.
Und uns nett unterhalten.

Auch die Geschichten die Nico und Malte über Sabrina erzählten,
fand ich lustig.

Irgendwie kam ich mir hier in der fremden Wohnung ein bisschen komisch vor.
Was tat ich hier eigentlich?
Das war doch gar nicht meine Art...

Nico saß auch neben mir auf dem Sofa.
Zu ihm war ich den ganzen Abend eigentlich überwiegend gemein gewesen.

Bis auf eine Szene an die ich mich noch gut erinnern kann.

"Mann, ich will echt nicht gerne fragen", hatte Nico angesetzt.
"Aber, woran ist dein bester Freund gestorben?".

"Drogen, wie gesagt", hatte ich leise geantwortet.
Musste ja nicht gleich jeder mitbekommen.
Vorallem weil diese Tatsache immer noch weh tat.
Und ich Lynn schrecklich vermisste.

"Ja, das schon. Aber an welchen?", hatte Nico weiter gefragt.
"Heroin", hatte ich geantwortet.
Warum zum Teufel erzählte ich das überhaupt?
Es ging ihn doch eigentlich gar nichts an.

"Das tut mir leid", meinte Nico.
"Kannst du ja nichts für", hatte ich gesagt.

Zurück zu den Gemeinheiten.
Irgendwie war das zu Anfang eine Masche gewesen.
Damit er nicht auf irgendwelche Ideen kam.
Ich wollte ihn noch ein bisschen auf Abstand halten.
Obwohl es mir manchmal schon so vor kam,
als wäre Plan 21 ein voller Erfolg gewesen.

Außerdem war gemein sein immer noch besser,
als sich anzuschweigen.

Und Nicos Paddeligkeit bot immer gute Gelegenheiten,
für einen bissigen Spruch.


Lieber einen Feind mehr,
als eine gute Pointe verpassen.


Irgendwie kam ich dann auch mit Sabrina gut ins Gespräch.
Eben über Nico.
Nico bekam das ganze aber zum Glück gar nicht mit.

"Schlägst du ihn?", hatte Sabrina mich gefragt.
Eher scherzhaft als ernst gemeint,
aber es passte schon so zu meiner Art an diesem Abend.

"Nein, noch nicht", hatte ich ihr geantwortet.

"Findeste ihn gut?", Sabrina hatte wissend gelächelt.
"Geht so", meinte ich.

"Ihr würdet doch gut zusammen passen. So optisch. Fänd ich schon süß",
sie grinste.

Anscheinend schienen die Geschichten über Sabrina in Verbindung mit Alkohol doch zu stimmen.
Man merkte es ihr leicht an ...

"Überlegs dir mal", meinte sie noch.


Ähm, nein.
Der Plan stand.
Nico den Kopf verdrehen.
Mehr war nicht geplant.


...

Gegen halb 12 musste ich die Wohnung von Malte und Sabrina
allerdings schon wieder verlassen.

Meine Erziehungsberechtigte lies mich Abends nicht lange weg,
sie wollte mich an der Hauptstraße, am Tierpark, abholen und nach Hause fahren.
Da mussten Nico und ich aber erst einmal hinkommen.

Es war schon verdammt dunkel draußen.
Aber für September zum Glück noch gut warm.

Nico und ich waren doch zu früh los gegangen.
Wir beschlossen noch am Tierpark bzw. an der Schule zu warten
& setzten uns in ein Rondell,
mit blick auf den Tierpark.

Ab und zu hörte man die Tiere.
Hier war ich oft mit Jette und meinen Großeltern.
Und als Kind war ich oft selbst dort gewesen.

Jetzt saß ich mitten in der Nacht mit Nico davor.

Und mir war plötzlich ganz anders.
Am liebsten hätte ich mich bei Nico angelehnt,
der sowieso ziemlich dicht an mir saß.
Aber irgendwie hielt mich etwas zurück.

War das der Alkohol der mich plötzlich so zutraulich werden lies?
Oder war es das, was ich wohl schon einige Zeit nicht wahr haben wollte?
Bzw. unterdrückte.

Ich hatte mit einem Mal dieses merkwürdige Gefühl Nico vertrauen zu können.
Vorallem als wir anfingen uns über meine Erziehungsberechtigte aufzuregen.
Weil ich immer so früh zu Hause sein musste.

Ich weiß nicht mehr genau wie.
Aber irgendwie kamen wir darauf, dass meine Erziehungsberechtigte krank ist.
Nico meinte, das wüsste er.
Sie hätte es ihm und Verena erzählt als sie die zwei Nachts um 5 nach Hause gefahren hatte.

Darüber hatte ich mich aufgeregt.
Wie kam sie dazu, Nico das einfach zu erzählen?.

Zurück zum 'Kontrollwahn' meiner Erziehungsberechtigten.
Über den wir uns immer noch ein bisschen aufregten.
Vorallem, weil es echt schade war,
dass dieser Abend für mich gleich zu Ende sein würde.

Wo es doch gerade so schön war, irgendwie.
Mitten in der Nacht.
Mit Nico.
Am Rondell am Tierpark.

"Sie muss immer alles wissen, immer alles mitkriegen. Und als es mir richtig dreckig ging, merkt sie nichts. Rein gar nichts", ärgerte ich mich.

Da war es wieder.
Diese gefährliche Sicherheit Nico vertrauen zu können.
Woher nahm ich sie?
Das durfte unter keinen Umständen passieren.

Nie würde Nico erfahren dürfen, was ich wirklich für ein Mensch war.
Von meiner anderen Seite durfte er nie etwas erfahren.
Niemals.
Dann wäre wieder alles vorbei.
& ich fing doch gerade erst an Nico irgendwie zu mögen.
Unglücklicherweise mehr zu mögen,
auch wenn ich es mir zu diesem Zeitpunkt noch selbst nicht eingestehen wollte.

Ich unterdrückte es also, Nico irgendetwas zu erzählen.

Als meine Erziehungsberechtigte mich auf meinem Handy anrief um zu sagen, dass sie jetzt an der Straße stehen würde, standen Nico und ich auf.

Schade.
Wie gerne ich dort noch sitzen geblieben wäre.

Auf dem Weg zum Auto stellte mir Nico noch eine Frage.
Das Disaster mit Gustav hatte er ja mitbekommen.
Von Evan wußte er auch.
Und von Anton.
Diese Dinge wußte er schon.
Naja, die harmlose Version davon.
Weil ich ihm mal erzählt hatte,
dass ich meine alte Schule wieder besucht hatte
& dort eben so einige Gesichter wieder gesehen hatte.

"Hattest du schon mal einen Kerl bei dem es irgendwie besser lief?", hatte Nico gefragt.
"Nein", hatte ich geantwortet.
Hatte ich nicht ...

Am Auto angekommen,
verabschiedeten wir uns wieder mit einer Umarmung.

Auf dem Rückweg hatte ich ein verdammt gutes Gefühl.
Der Abend war schön gewesen, wenn auch kurz.

Und ich dachte wieder darüber nach, die alte Lucy hätte so etwas nie gemacht.

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