Willkommen in meinem Leben




[28] last minute.

[28]


Nach dem ich mir von Verena noch einmal die Bestätigung eingeholt hatte,
hatte ich Nico gesagt, ich müsse mit ihm reden.

Montag, in der Berufsschule.

& natürlich hatte es nicht funktioniert.
Ich hatte es ihm einfach nicht sagen können.

Schon heute, Montag den 4 Oktober 2010, hatte ich Jolie aus meiner Ausbildungsklasse mit Nico genervt.
Wir schrieben die ganze Zeit über kleine Zettelchen.
Bis aus ihren guten Ratschlägen nur noch ein fettes "MACH DOCH!" wurde.
Jolie gingen die Ideen aus & mir die Ausreden.

Zwei Pausenzeiten hätte ich gehabt um mit Nico zu reden.
Eigentlich war der Pausenhof der Berufsschule ein ziemlich ungeeigneter Ort für so etwas.
Andererseits hätte ich dort meinen Fluchtpunkt gehabt.
Aber nein, ich hatte es mal wieder nicht auf die Reihe gekriegt.

Als ich nach der zweiten Pausenzeit zurück in meine Klasse kam,
sah Jolie mich schon erwartungsvoll an.
In der ersten Pause hatte ich Jasna mitgeschleppt, die Nico ja auch kannte.
Eben um nicht mit ihm alleine zu sein.
Jasna wußte ja auch mehr oder weniger bescheid.
Ich hatte sie zu meinem Schutz mitgenommen.
Denn während sie dabei war,
konnte ich wohl kaum mit Nico reden.
Konnte ich ja sowieso nicht, aber so hatte ich wenigstens eine Ausrede gehabt.
Um Ausreden bin ich ja bekanntlich nicht verlegen.

Dennoch in der zweiten Pausenzeit war ich alleine gegangen.
Und Jolie versuchte eine Antwort in meinem Gesicht zu finden,
als ich den Klassenraum wieder betrat.
Doch ich hatte nur mit dem Kopf geschütttelt.
Jolie verzog ihr Gesicht zu einer tadelnden Fratze.

Ja ja, schon klar.


An diesem Montag-Nachmittag,
hatte Nico mir dann zum Glück einen Vorschlag gemacht.

Er würde am Dienstag nach der Schule mit zu mir fahren,
damit wir in Ruhe reden konnten.

Na toll, das wars dann wohl mit meinem Fluchtpunkt!
Aber immerhin, gab Nico noch nicht auf.
Ich hatte wirklich damit gerechnet, das er es tat.
Jetzt musste ich mir also unbedingt überlegen, wie ich anstellte,
was ich anstellen wollte.

________________________

Dienstag.
5 Oktober 2010.

In der Schule verlief es eigentlich wie Montag auch schon.
Ich war zu nichts zu gebrauchen,
total neben der Spur.
Völlig unkonzentriert
und einfach nur anstrengend.

Anastasia, die neben mir im Unterricht saß,
konnte sich ihr breites Grinsen kaum noch verkneifen.

"Grins doch nich so", meinte ich nervös.
"Doch", sagte sie.
"Warum denn?", hibbelte ich.
"Weißt du was?", fragte sie.
"Nein, sag", das Mädchen machte mich wahnsinnig mit ihrem Gegrinse!

"Bei Gustav, da war gar nichts. Da hat man dir rein gar nichts angesehen. Und jetzt bei Nico. Du läufst hier auf, strahlst & du lächelst so wenn du von ihm erzählst", erläuterte Anastasia.

Und irgendwie wußte ich, dass sie Recht hatte.

& Mittlerweile hatten die zwei Mädchen, die vor mir saßen von der Sache auch schon Wind bekommen.

Lucy ist verliebt, Lucy ist verliebt!
Wir waren junge Frauen im Alter von 17 bis 19 Jahren. & benahmen uns, was das angeht, immer noch wie kleine Mädchen!


Im Laufe des Vormittags wurde ich für meine hauptsächlich weiblichen Mitschüler immer unerträglicher.
Bis Jolie, eigentlich eher gespielt, unter meinem wirren Gerede, die Nerven verlor.

"Du bist echt furchtbar grad! Weißt du das?", lachte Jolie.
"Tu doch was", meinte ich, "hau mir irgendwas gegen den Kopf, vielleicht gehts dann besser".

Vielleicht hätte ich das besser nicht zu Jolie sagen sollen...
Wenig später knallte sie mir nämlich tatsächlich ihren Ordner gegen den Kopf.

"Aua spinnst du?", murmelte ich und sah sie an.
Jolie lachte, "du hast doch gesagt, ich soll dir was gegen den Kopf hauen".
& dann mussten wir beide lachen.


& wer weiß, vielleicht hatte Jolies Ordner mir wirklich weiter geholfen.


Nach der Schule,
war ich mit Jasna und Janin zum Bahnhof gelaufen.
So wie jeden Mittag.
In dem Zug, der uns nach Hause fahren sollte,
sollte Nico sitzen.
Wir würden uns dann an dem Bahnhof treffen,
an dem ich aussteigen musste.

Mir wurde immer immer mulmiger.
Ich saß neben meinen Freundinnen auf dem Bahnsteig.
Ich weiß es noch ganz genau, dieser Tag war schrecklich warm gewesen.
Und wir hatten direkt in der Sonne gesessen.

"Ich will nicht", jammerte ich Jasna und Janin die Ohren voll.
Und das nicht nur einmal.

"Doch du willst", hatte Jasna gesagt.
"Mach einfach die Klappe auf sonst misch ich mich ein", gab Janin mit ihrer sowieso immer so vorlauten und bestimmenden Art dazu.
Janin nahm nie ein Blatt vor den Mund.

Dann kam der Zug.
Die letzten Minuten, bevor es ernst wurde.

An 'meinem' Bahnhof angekommen,
stieg ich zusammen mit meinen Freundinnen aus.

Nico zwei Abteile vor uns.
Scheiße.

Ich überdrehte völlig.
Versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen.
Da kam es mir gerade recht, dass meine Mutter, die uns mit dem Auto vom Bahnhof abholte, noch etwas einkaufen musste.
Also mussten Nico und ich erstmal mit,
bevor wir irgendwann zu mir nach Hause kamen.

Aber auch zu Hause kams einfach nicht ins Rollen.
Nico sprach mich drauf an, dass ich ihm etwas hatte sagen wollen.
Ich weiß Ich weiß ...

Aber wie hätte ich das anstellen sollen?
Hey Nico, ich hab deine beste Freundin ausgehorcht.
Willst DU mir vielleicht was sagen?

Das ging so jedenfalls nicht,
ich hatte Verena ja versprochen sie raus zu halten.
Ich war ihr ja immer noch sehr dankbar, dass sie mir überhaupt geantwortet hatte.

Irgendwann fand ich dann aber doch meine Sprache.
Und verschlug damit Nicos mehr oder weniger.

Nico hatte immer irgendetwas von Seelenfrieden geredet.

"Steckt da vielleicht noch was anderes hinter?", hatte ich gefragt, während ich eins meiner Sofakissen fast zu Tode gequält hatte.

"Wie was anderes?", hatte Nico gefragt.

"Ich hab mit Verena gesprochen", es ging nicht anders.

"Und?", hatte Nico weiter gefragt.

Ich holte mein Handy, rief die SMS von Verena auf und hielt es Nico unter die Nase.
Er las.

Dann sank er auf dem Sofa zurück, auf dem wir gesessen hatten.
"Ja, dann ist es jetzt wohl raus", sagte er leise.

"Also stimmt es?", fragte ich nach.
Er hatte genickt.

Hmm...


Unser Gespräch wurde aber leider unterbrochen.
Meine Mutter rief nach mir, ich solle noch irgendwas zu meiner Oma bringen.
Kam mir irgendwie recht, so hatte ich noch einige Zeit nachzudenken.
Nico musste mit zu Oma.

Manchmal bewundere ich ihn echt, was er so alles mitmacht, wegen mir.
Nur so nebenbei ...

Nach einer dreiviertelstunde waren wir circa wieder bei mir zu Hause.

"Wie machen wir jetzt weiter?", hatte ich ihn gefragt.
Ich hatte keine wirklich Antwort gewusst.
Und er anscheinend auch nicht.

"Ich weiß nicht, was du willst", hatte Nico nur geantwortet.

Das Gespräch brachte eigentlich nicht wirklich was.
Alles stand offen, nichts war wirklich geklärt.
Wir hatten kein klares Verhältniss geschaffen.

Und dann kam schon Nicos Zug bald,
der ihn zurück nach Hause bringen sollte.

Wir mussten also wieder zum Bahnhof.

Auf dem Bahnsteig standen wir uns gegenüber.
Wenn Nico jetzt in den Zug stieg,
was würde dann sein?

Ich saß praktisch auf gepackten Koffern.
Ich würde die nächsten drei Tage in Hannover sein.
(dazu später mehr).
Nico würde dann jetzt in den Zug steigen & nach Hause fahren.
Wir würden drei Tage nichts mehr voneinander hören.
Oder vielleicht gar nicht mehr?
Was war das jetzt mit uns?

Die Lichter des Zuges leuchteten auf.

"Was überlegst du?", hatte Nico noch gefragt.
"Was ein größerer Fehler ist", meinte ich.
"Na toll", hatte er gesagt.

Dann fuhr der Zuf langsam in den Bahnhof ein.

"Es tut mir leid", hatte ich noch ganz leise gemurmelt.

& dann wars doch passiert.
Ich hatte Nico einfach geküsst.

& dann war ich gegangen, als der Zug im Bahnhof gehalten hatte.
Perfekter Fluchtpunkt.
Typisch Lucy.

Als ich die Treppen vom Bahnsteig hinab stieg,
gingen mir die Worte von Tamara durch den Kopf.
Wenn es beim Küssen im Bauch kribbelt...
Es hatte gekribbelt.
Aber sowas von.

Ich fragte mich noch auf der Treppe,
ob es richtig gewesen war Nico zu küssen.
So wie ich mich es auch damals gefragt hatte,
als ich Gustav geküsst hatte, was falsch gewesen war.

Aber bei Nico, da war es anders gewesen.
Ganz anders irgendwie.
Irgendwie, richtig.

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